Samstag, 28. Jänner 2017
Wenn ich nicht alles tun kann, mache ich überhaupt nichts
Dies ist eine Kapitelüberschrift in einem Buch, das mich heute zu einer Veränderung inspiriert hat: "Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast" von Barbara Sher. Darin schreibt sie von Scannern, das sind Leute, die viel mehr Interessen haben als die meisten anderen Menschen und darum nicht wissen, wie sie all das in ihrem Leben unterbringen sollen. Ein Zitat hat mich richtig zum Lachen gebracht:

"'Manche Menschen möchten jeweils nur ein bisschen was über viele verschiedene Dinge wissen", schrieb ein Mann in meinem Internet-Forum. 'Andere möchten viel über ein ganz bestimmtes Thema wissen. Aber ich will über alles sehr viel wissen. Und ich weiß überhaupt nicht, wie ich das in einem einzigen Leben schaffen soll.'
Die Menschen, die mir von diesem Problem erzählten, hatten - abgesehen davon, dass sie absolut alles machen wollten - noch eines gemeinsam: Sie taten so gut wie nichts von dem, was sie wirklich interessierte, schoben alles weit von sich und verbrachten ihre Zeit mit Aktivitäten, denen sie überhaupt nichts abgewinnen konnten."
(Sher, S. 94)

Genauso geht es mir fast jeden Tag, seit Jahren. Ich sitze vor dem Computer und lese Nachrichten oder anderes, oft belangloses Zeug ohne Ende, obwohl es mir keinen Spaß macht, und ärgere mich jeden Abend, dass ich wieder einen Tag verschwendet habe. Ich frage mich dann, warum ich nicht tun kann, was mich glücklich macht, bzw. warum ich nicht weiß, was das ist und ganz allgemein, was mit mir nicht stimmt. Also habe ich mich an "Die große Liste" gemacht, wie Sher sie nennt: eine Liste, die alles umfasst, das man gerne machen würde, egal ob man es schon mal gemacht hat oder noch nie. Man muss sich aber, bevor man einen Punkt notiert vorstellen, wie es wäre, diese bestimmte Sache zu tun, damit man keine Liste der Belanglosigkeiten erstellt. Das kann leicht passieren, wenn man Scanner ist, der sich für so viele Dinge zumindest theoretisch interessiert. So erging es mir mit meinem ersten Versuch mit der "großen Liste": "Ich würde gerne 1. Ungarisch lernen, 2. Spanisch lernen, 3. Französisch lernen, 4. mehr über Geschichte erfahren", und so weiter.

Mein heutiger, zweiter Versuch fiel mir schwer, weil ich wirklich in mich hineinsehen musste, und dabei bekomme ich immer Lust, davonzulaufen. Nicht, weil ich innerlich so hässlich bin, obwohl ich das manchmal auch glaube, sondern weil ich aus irgendeinem Grund so großen Widerstand dagegen in mir trage, zu wissen und zu tun, was mich glücklich macht. Es tut mir irgendwie weh, darüber nachzudenken. Deswegen betäube ich mich mit zu viel Kaffee, Essen, Internetsurfen. Diesmal habe ich mir aber einen Wecker auf zweimal eine halbe Stunde gestellt und die Liste tatsächlich zu schreiben begonnen. Wenn ich es mir erlaube, dann kann ich ziemlich tief in mich hineinsehen, und es ist erstaunlich, wie wenig meine Alltagspersönlichkeit und die Dinge, mit denen ich im Alltag meine Zeit verbringe, übereinstimmen mit der, die ich im Inneren wirklich bin. Daher auch meine Unzufriedenheit mit meinem Leben. Allein, diese Liste begonnen zu haben, rückt meine Träume aber ein Stück weit in den Bereich des Möglichen. Ich bin gespannt, was passiert, wenn ich das Buch weiter durcharbeite. Ich kann es euch nur empfehlen: Barbara Sher, "Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast", dtv, 2008.

... comment