Samstag, 6. August 2016
Ohne Stress in die Ewigkeit
Was wäre, wenn ich nicht dauernd von einem Ziel zum nächsten hetzen würde? Ich habe darüber nachgedacht, was eigentlich in meinem Leben schiefläuft. Eigentlich glaube ich so halb dran, dass wir alle wiedergeboren werden und unsterbliche Wesen sind. Wenn mein Leben bedroht wäre, hätte ich trotzdem Angst, zu sterben, noch dazu so früh. Aber sagen wir mal, ich könnte das so richtig glauben und hätte keine Angst vor dem Tod, weil das Leben in alle Ewigkeite weitergeht. Diese Vorstellung ist für mich irgendwie befreiend, denn ich betrachte mich als 30+-Frau als kurz vorm Verlieren, Ausgeschlossenwerden, kurz vor der immerwährenden Chancenlosigkeit (die geselschaftliche Gehirnwäsche wirkt). Wenn ich daran denke, dass ich nur mehr ein paar Monate bis zu meinem nächsten Geburtstag habe, wird mir schlecht. Ich muss etwas erreichen! Ich kann nicht mehr länger in dieser Wohnung und diesem Job feststecken! Ich muss endlich meine Leute finden!
In jeden Tag will ich so viel hineinstopfen: Arbeit an meinen Zielen, damit ich schnell vorankomme, Sport, Freizeit, schöne Erlebnisse mit Menschen, und dann hätte ich gern auch noch ein zutiefst entspannendes Erlebnis, zum Beispiel in der Natur. Aber weil der Tag nach Arbeit, Pflicht und Ablenkung zu wenig Stunden hat, verschiebe ich das Schöne auf den nächsten Tag, an dem ich mich wiederum schuldig fühle, solange ich nicht viel geleistet habe. So erlebe ich wieder nichts Schönes, keien Befreiung, und sehne mich nur noch mehr nach dem absoluten Entspannungskick. Träume schon von Drogen.

Mit dem Glauben oder Wissen, dass ich ewig existieren werde, kann ich ein bisschen Druck rausnehmen, denn der Sinn einer ewigen Existenz kann doch nicht sein, nur immer mehr und mehr zu erreichen, voranzukommen, zu arbeiten. Oder? Der Gedanke, ewig leben zu müssen hat auch was von einer Qual, doch das kommt daher, dass ich Leistung als Rechtfertigung meiner Existenz sehe. Allein, das zu denken, engt mir den Brustkorb ein. Ohne diesen Irrglauben und mit der Ewigkeit vor mir - wie würde ich mich da fühlen? Ich werde versuchen, ob ich meine Fantasie dazu bringen kann, mich in diese Lage zu versetzen.

Vielleicht komme ich dann aus meinem Gefängnis raus, das so aussieht: Ich muss noch so viel machen, ich habe so viele Träume, und ich bin endlos frustriert, weil ich in den wichtigsten Bereichen in meinem Leben einfach feststeckte in den letzten Jahrzehnten. Zu wenig Geld, um mir meine Träume zu erfüllen. Keine Möglichkeit, erfüllende und gut bezahlte Arbeit zu tun. Keine dauerhaften, guten Beziehungen, in denen ich mich wirklich verstanden fühle, weder Freundschaften noch Liebe. Alles scheitert entweder an einem Mangel an Geld oder Menschen, mit denen ich wirklich kann.

Zusammengefasst: Ich will so viel, aber eben nichts Ausgefallenes, sondern die Erfüllung meiner emotionalen und materiellen Bedürfnisse, und ich fühle mich verarscht, weil ich dauernd an Mauern stoße. In meinem Alter sollte ich doch Spaß haben, um die Welt reisen, mich verlieben, mit meinen besten Freunden das Leben und unsere Vertrautheit genießen, doch nein. Ich setze mich so unter Druck, das alles doch noch zu kriegen und zu erleben, bevor ich mich als ganz alt empfinde. Doch nichts geht voran, ich werde eine frustrierte Kuh werden (bleiben), oder ich muss einen anderen Weg finden. Ich will nicht so leben, als sei jeder Tag meine letzte Gelegenheit. Das mag manchen Leuten helfen, aber mich versetzt es in enormen Stress. Ich könnte es mal mit einem Gedankenexperiment versuchen und mir die Ewigkeit vor mir ausgebreitet vorstellen und die Garantie, dass alle meine Bedürfnisse erfüllt werden, früher oder später. Vielleicht kann ich mich dann endlich entspannen. Vielleicht kann ich dann aufhören, aus Angst zu handeln, und mich stattdessen von meinem Herzen und meiner Intuition leiten lassen.

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